Am 11.Mai 2012 besuchte oldthing Herrn Schulze. 70.000 Singles - eine bald vollständige Sammlung aller je in Deutschland erschienen Seven Inch Platten hat der rührige Mitfünfziger im Laufe der Jahre zusammengetragen.
Lesen hier das Interview welches unser Reporter bei einem Hausbesuch mit Herrn Schulze geführt hat:
Herr Schulze beim Einscannen von Covern.
Herr Schulze, danke das wir Sie besuchen dürfen. Ich komme mal gleich zu der ersten wohl wichtigsten Frage: Wie sind Sie zu Ihrem Sammelgebiet Singles gekommen?
Herr Schulze: Musik hat mich schon immer interessiert. Von meiner Mutter bekam ich den Titel „Pretty Belinda“ von Chris Andrews geschenkt. Von da an ging es los.
Sammeln Sie alles was mit Singles zusammenhängt?
Frau Schulze wirft ein:Leider ja!
Allgemeines Gelächter, doch dann antwortet Herr Schulze: Wenn ich über Flohmärkte schlendere und Platten für 50 Cent oder auch mal ein Album für 10 Euro sehe, nehme ich das mit. Ich denke nicht darüber nach, ob ich das schon habe. Meistens ist es auch so, aber dann habe ich was zum Tauschen. Entweder ist das Cover besser erhalten oder die Platte oder ich biete sie unter oldthing.de/shops/Stars-On-7-Inch in meinem oldthing-Shop zum Verkauf an. Mein Spezialgebiet ist aber die Werbeschallplatte.
Was sind den bitte Werbeschallplatten?
Das ist so was wie der Spam von damals! Früher wurden, so bis ca. Mitte der 80er, Schallplatten als Werbung in die Postkästen gesteckt. Oft waren das nur Folien, aber auch ganze Platten und Teils sehr aufwändig gestaltete Werbeträger. Pharma-Unternehmen haben so z.B. Ärzte umworben. Telefunken hat auch damit Werbung bei den Händlern für Ihr Repertoire mit Hörbeispielen gemacht. Auf der Rückseite haben die dann Werbung gemacht wie z.B. „die Umsätze steigen“ und auf die gerade erfundene Langspielplatte hingewiesen. Es gibt aber auch Platten gegen das Rauchen oder wie hier z.B. von Styuvesant, für das Rauchen.
Spam lösche ich rigoros sofort aus meinem Mailordner. Hatten die meisten Werbesingles nicht ein ähnliches Schicksal?
Ja, schon, aber das macht dieses Gebiet ja auch so interessant. Wie viele Sammler habe ich ja auch den Anspruch „wenn schon, dann alles“. Ich trage zusammen, was ich finde.
Auf meiner Homepage stars-on-7-inch.com stelle ich ca. 70.000 Single-Cover und unzählige Künstler-Diskographien dar. Rock oder Schlager, das ist mir dort eigentlich egal. Ich wollte hier eine komplette Sammlung aller Singles und nicht einzelner Künstler oder Genres in Deutsch machen. Die meisten Seiten sind in Englisch, oder es gibt Seiten nur für ABBA oder die Rolling Stones.
Was sind denn Ihre Sammlungs-Highlights:
Es gibt allerlei Kurioses und ich habe da so einiges zusammengetragen. Es gibt z.B. sogenannte Weißmuster. Das sind Platten die, bevor die Platten ins Presswerk gingen, nochmals geprüft wurden. Das steht dann z.B. ein Stempel drauf. Oder es gibt sogenannte Masterplatten. Das sind Scheiben, die besonders stabil und nur von einer Seite abspielbar sind. Das ist sozusagen die Mutter aller anderen Platten.
Herr Schulze, was ist den das besondere an Ihrer Sammlung?
Manches, was einem so in die Hände fällt ist schon recht interessant. Da gibt es Werbesingles von Pepsi oder Citroen, welche gegen das Rauchen und Werbung für Zigaretten. Als die Werbeschallplatten aufkamen hatte ja noch lange nicht jeder einen Fernseher. Da haben die Leute das halt auf dem Plattenteller gelegt und angehört. Ich finde das schon witzig. Manche Songs sind auch nur auf Single erschienen. Bei T-Rex war das oft so. Ich habe mich dann geärgert, weil ich dann 2 Platten kaufen musste. Es gibt auch viele Bücher über Musik. Die sind aber oft nicht vollständig und gut recherchiert, außer vielleicht das Buch „The Doors“ von Rainer Moddemann. Deshalb ja auch die Homepage. Dort sortiere ich die Daten von zur Zeit ca. 70.000 Singles nach Namen, aber auch z.B. Label.
Herr Schulze zeigt eine seiner zahlreichen Raritäten.
Ihr Ziel ist also die komplette Erfassung aller je veröffentlichten Singles?
Oh, das wäre schön, wenn man das schaffen könnte. Aber es gibt ja auch verschiedene Singles von ein und demselben Lied. Abba z.B. hat ja in Deutschland, England, Schweden, USA und wo sonst noch überall veröffentlicht. Die sind dann gleich, aber doch anders. Tony Curtis auf japanisch... das kriegt man doch hier gar nicht und ist echt rar. Das Internet hilf da schon viel. Sammlerkollegen schicken mir dann schon mal den Scan eines Covers. Das hilft mir dann schon weiter.
Wie stellen Sie den fest, ob Sie ein bestimmtes Sammelgebiet wie z.B. alle Platten von ABBA bereits erfasst oder archiviert haben?
Es gibt ja zu allen Künstlern aber auch zu den Plattenfirmen jede Menge Fachliteratur. Als Kartograph muss ich auch beruflich sehr genau arbeiten. Früher haben wir noch von Hand gezeichnet, da war das Sammeln, das über Märkte und durch Plattenläden schlendern ein schöner Ausgleich. Nun nutzen wir Computer, so wie ich das jetzt auch für meine Sammlung tue.
Zurück zu Ihrem Spezialgebiet „Werbeplatten“. Wissen Sie wann die erste Platte hergestellt wurde?
Meine älteste Werbeplatte ist aus dem Jahr 1952. Im übrigen war die Single die damalige Langspielplatte, weil bei 45 r.p.m. mehr Musik auf die Platte passte, als auf die damals gebräuchliche 78er.
Hören Sie sich Ihre Platten den auch an?
Selbstverständlich. Wir stellen dann den Plattenspieler auf den Tisch und machen uns einen gemütlichen Abend. Sie glauben gar nicht, was es da für Schätze zu entdecken gibt. Wenn man sich so richtig alte Sachen anhört, ist das schon recht witzig. So Texte wie „rück das Dings mehr nach links, sprach die Sphinx, und dann gings“ kann man sich doch heute gar nicht mehr vorstellen. Das ist lebendige Zeitgeschichte.
Ich möchte nicht pietätlos sein, aber was passiert mit Ihrer Sammlung, wenn es Sie nicht mehr gibt?
Die Werbe-Singles, aber auch den Rest meiner Sammlung würde ich gerne einem Museum stiften. Ich hoffe aber auch das ich noch viel Zeit habe, meine Sammlung zu vervollständigen und um die Dokumentation zumindest von einzelnen Gebieten abschließen zu können.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Lotar Küpper 06/2012